25.06.2024

Gutes im Gut

Das Westfälische Musikfestival gastierte nun einige Tage im Gut Kump bei Hamm. In der Scheune dominierte ein C. Bechstein Konzertflügel D 282 die Bühne, der nicht nur bei der neuen Reihe „Bechstein Next Generation“ zum Einsatz kam.

Wer die Landstraße verlässt und auf den Parkplatz einbiegt, vergisst schnell, dass er sich am Rande des Ruhrgebiets aufhält. Denn der große westfälische Schulzenhof ähnelt den Gütern, die man normalerweise in Schleswig-Holstein erwartet. Die Geschichte von Gut Kump lässt sich bis zum Jahr 1298 zurückverfolgen. Das villenartige Herrenhaus wurde 1885 von Carl Wilms-Schulze Kump in Formen des Spätklassizismus erbaut und dient heute neben einem geschmackvollen Neubau als Hotel. Zur Hofanlage gehören auch mehrere Scheunen, von denen eine regelmäßig für größere Feiern, zumeist wohl Hochzeiten, genutzt wird.

In dieser Woche jedoch strahlen die großen Kronleuchter für das Westfälische Musikfestival. Das Klavierduo Gülrü Esari und Herbert Schuch begeistern am C. Bechstein Konzertflügel mit Werken von Mozart, Brahms und Schubert. Der Bariton Dietrich Henschel interpretiert gemeinsam mit Arno Waschk am Bechstein „Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Chrsitoph Rilke“ von Frank Martin. Das Duo lotet die düstere Expressivität dieses Kriegs-Stücks, das heutzutage eine geradezu gespenstische Aktualität erhalten hat, tief aus. Alexander Lonquich und das Kuss Quartett wiederum verschmelzen in den Klavierquintetten von Schumann (op. 44) und Korngold (op. 15) und spüren musikalisch auf höchstem Niveau dem Weg von der Romantik zum expressiv ausufernden musikalischen Jugendstil nach.

Auf keinem niedrigeren Niveau präsentieren sich die Stipendiaten der Carl Bechstein Stiftung, die unter dem Titel „Bechstein Next Generation“ in drei nachmittäglichen Konzerten auftreten: Giuseppe Guarrera schärft die Kontraste, indem er beispielsweise barocken Werken von Händel und Scarlatti Prokofjews siebte Sonate gegenüberstellt. Aaron Pilsan bringt den Bechstein hinreißend zum Singen, indem er sich nach Carl Maria von Webers „Aufforderung zum Tanz“ auch die beschwingten Melodien von Schumann, Chopin, Grünfeld und Enescu genussvoll auskostet. Und Lorenzo Soulès offenbart die weite Dynamik und Farbenpracht des von Burkhard Loock bestens vorbereiteten C. Bechstein Konzertflügels vor allem mit zwei modernen Etüden von Philippe Manoury und drei Stücken aus Granados „Goyescas“.

Direkt nach dem abendlichen Konzert wird der Flügel am Freitag eingeladen, die Bühne abgebaut, denn am Samstag wird wieder Hochzeit gehalten. Der Flügel fährt nachts noch ins Oberlandesgericht Hamm, wo am darauf folgenden Donnerstag die Carl-Bechstein-Stipendiatin Hanni Liang und anschließend ihr früherer Professor Matthias Kirchnereit daran Platz nahmen. Das ungemein hohe Foyer des Oberlandesgericht gibt beiden Recitals dank der etwas halligen Akustik eine geradezu sakrale Atmosphäre. Hanni Liang nimmt das Publikum nachmittags auf eine musikalische Zeitreise von Brahms und Debussy bis in die Moderne mit Cage und Beamish. Matthias Kirschnereit verzaubert das Publikum im ausverkauften Abendkonzert mit Werken von Carl Philipp Emanuel Bach und Mozart über Brahms und Schumann bis zu Debussy.

Der Boeckers Saal, in dem im September 1852 das erste Westfälische Musikfest Hamm stattfand, ähnelt übrigens ein wenig der Scheune im Gut Kump. C. Bechstein war das erste Mal Partner dieses traditionsreichen Festivals. Eine Fortsetzung der Zusammenarbeit im nächsten Jahr ist sehr wahrscheinlich.

Fotos © Gregor Willmes und Burkhard Loock/C. Bechstein