Bechstein-Tradition

Höchste Qualität seit 1853. Blättern Sie in einer Firmengeschichte, die gleichzeitig eine spannende Erfolgsgeschichte ist.

DER CLAN

Im Frühling 1900 wurden die Söhne Edwin (*1859), Carl (*1860) und Johannes („Hans“, *1863) die neuen Herren über das Weltunternehmen mit fast 800 Beschäftigten. Zur Geschäftsleitung gehörten sie seit 1894. Die Produktion lag im Jahr 1900 bei über 3.500 Instrumenten. Carl Bechstein junior kümmerte sich um den Klavierbau; Edwin Bechstein war für die kaufmännische Leitung zuständig. 1906, nach dem Tod des jüngsten Bruders Hans, wandelten sie das Familienunternehmen in eine Offene Handelsgesellschaft um.

Ganz Deutschland war in Hochstimmung. Man baute Schlachtschiffe, gründete Konzerne und Kolonien und verfügte über einen Kaiser mit markantem Schnurrbart. Der formte gelegentlich Sätze wie: „Das Klavier ist ein gesundheitsschädlicher Turnapparat“; es gab allerdings Schlimmeres aus dieser Quelle. Irgendwie waren die Zeiten ganz anders als 1853; die Spree floss weiterhin havelwärts, nur mit „Athen“ war es nicht mehr weit her. Das 20. Jahrhundert sollte auch dem Unternehmen C. Bechstein eine höchst wechselvolle Geschichte bescheren.

Zunächst feierte man das 50-jährige Bestehen. 1903 besaß Bechstein vier Fabriken, in denen 800 Mitarbeiter beschäftigt waren, die jährlich über 4.500 Instrumente herstellten. Seit 1853 waren insgesamt 65.200 Klaviere und Flügel gefertigt worden.

BECHSTEIN KONZERTSAAL IN LONDON

Zugleich expandierte man. Und zwar ausgerechnet in der Höhle des Löwen, in London. 1901 war in der Wigmore Street eine „Bechstein Hall“ eröffnet worden. Der Saal fasste rund 550 Zuhörer. Die Seitenwände waren mit Pilastern aus numidischem Marmor dekoriert und mit Mahagoni getäfelt; oben prangte ein Fries von rotem Veroneser Marmor. Das halbkreisförmige Podium wurde von einer Kuppel mit einem Bild von Moira und Lynn Jenkins überwölbt, auf dem eine splitternackte Dame den Genius der Harmonie hochhielt. 1902 fanden rund 300 Konzerte statt. Während des Ersten Weltkriegs wurde der Saal enteignet und firmiert nun schon seit Jahrzehnten unter „Wigmore Hall“.

Bereits 1885 war in der gleichen Straße die Londoner Niederlassung, 38 Wigmore Street, gegründet worden. Die Länder des Commonwealth nahmen den größten Teil des Bechstein-Exports ab, und sogar Queen Victoria hatte einen reich vergoldeten „Bechstein“ bestellt, den sie eigenhändig mit Miniaturen ausmalte. Die Londoner Niederlassung war ein Prachtbau mit einer Ausdehnung von etwa 35 mal 65 Metern. Die Fenster des Ausstellungsraums im ersten Stock waren mit Glasmalereien dekoriert, die die Wappen der großen deutschen Adelshäuser zeigten. Im November 1916, während des Ersten Weltkriegs, kam das Aus. Die britische Regierung hatte die Zwangsliquidation aller deutschen Niederlassungen angeordnet. Die Firma Debenham Ltd. von der gegenüberliegenden Südseite der Wigmore Street ließ bei der Auktion durch James Boyton, Member of Parliament, die gesamte Niederlassung samt Inventar für 56.500 £ – damals etwa 1,1 Millionen Mark – ersteigern. Der Zuschlag durch den Auktionator Sir Howard Frank erfolgte nach knapp vier Minuten. Allein der Wert der 104 Flügel und 30 Pianos durfte auf rund 350.000 £ veranschlagt werden. Die Stimmkontrakte lauteten über 6.000 £ jährlich. Die deutschen Adelswappen-Fenster gibt es noch heute; sie stehen inzwischen unter Denkmalschutz. In den ersten Stock zog später eine Versicherung ein, in das Parterre ein Restaurant.

Ähnlich wie der Londoner Niederlassung erging es der Pariser Filiale, 334, rue St.Honoré, die 1903 gegründet worden war. Auch sie wurde im Ersten Weltkrieg enteignet.

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