Als Carl Bechstein Mitte des 19. Jahrhunderts ein Konzert von Franz Liszt besucht, wird er Zeuge, wie der Furor des Pianisten den Flügel nach und nach in seine Einzelteile zerlegt. Von da an ist es das Ziel des jungen Klavierbauers, Instrumente zu erschaffen, die das gesamte Spektrum von lyrischen bis dramatischen Tonfolgen bewältigen. Innerhalb von 20 Jahren wird aus Carl Bechsteins kleiner Berliner Klaviermanufaktur ein weltweit erfolgreiches Unternehmen, das die Söhne weiterführen. Selbst Queen Victoria erwirbt einen vergoldeten „Bechstein“.
Gunna Wendt gelingt es in ihrem Buch über „Die Bechsteins“, das Atmosphärische der Anfangszeit einzufangen und auf spannende Weise einen Bogen bis in die heutige Zeit zu spannen: über Künstler wie Hans von Bülow, Richard Wagner und Franz Liszt, durch zwei Weltkriege bis in die Gegenwart. Aufgelockert wird der Text durch fünf „Intermezzi“, für die die Autorin Interviews mit den Pianisten Denys Proshayev, Kit Armstrong, Gerrit Zitterbart, der Jazz-Pianistin Ulrike Haage und dem Komponisten Moritz Eggert geführt hat. Diese äußern sich über historische und heutige C. Bechstein Flügel und über ihr persönliches Verhältnis zur Marke „C. Bechstein“. Kit Armstrong etwa beschreibt „das Besondere eines Bechstein-Flügels“ folgendermaßen: „Er hat einen charakteristischen perlenden Klang, einen singenden Klang im Diskant-Bereich, der sich unterscheidet von der brillanten, kraftvollen Einstellung, die man sonst von einem modernen Flügel erwartet. Es gibt im tiefen Tenor-Bereich eine gewisse Klarheit, die für den Bechstein-Flügel typisch ist. Ich empfinde es als Gesang.“ Gunna Wendt ist ein Buch gelungen, das weit mehr ist als eine Familiengeschichte. Denn die Geschichte der „Bechsteins“ wird immer wieder auch zum Spiegel der Zeit.
Das Buch ist im Aufbau Verlag erschienen und unter der ISBN 978-3-351-03613-3 für 24,95 Euro erhältlich.